Betriebsratswahlen und funktionale Steuerung

Die Betriebsratswahlen stehen vor der Tür, die Aufstellung der Wählerliste ist eine der ersten Aufgaben des Wahlvorstands nach seiner Bestellung und er hat diese bis zum Wahltag aktuell zu halten. Die Wählerliste führt alle Wahlberechtigten und jeden der als Wahlbewerber für die Betriebsratswahl kandidieren darf auf.

Für den Wahlvorstand stellt sich damit die nicht unkomplizierte Frage, wer darf bzw. muss auf die Liste aufgenommen werden. Es muss eine Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und leitenden Angestellten vorgenommen werden, aber auch sonstige Arbeitsverhältnisse, die häufig nur zur Umgehung des Arbeitsrechtsschutzes genutzt werden, (Scheinwerkverträge, Scheinselbständigkeit etc.) müssen beleuchtet werden. Die Aufstellung der Wählerliste bringt hierdurch viel verdeckte Wahrheit im Betrieb ans Tageslicht.

Die bereits bekannten Abgrenzungsfragen sind eigentlich schon Herausforderung genug, hinzu kommt jedoch nunmehr die Komplexität der Mitarbeiterzuordnung aufgrund der „funktionale Steuerung“. Hierbei handelt es sich um die Trennung von fachlichem und disziplinarischem Weisungsrecht.

Der Vertragsarbeitgeber (also der formell im schriftlichen Arbeitsvertrag benannte Arbeitgeber) hat das disziplinarische Weisungsrecht, die steuernde Einheit hat das fachliche Weisungsrecht. Die Funktionale Steuerung führt demnach dazu, dass die arbeitsvertraglichen Grundelemente nicht mehr aus einer juristischen Einheit (AG, GmbH) heraus gesteuert werden, sondern diese Steuerung konzern- oder unternehmensübergreifend erfolgt.

Fraglich ist damit auf welcher Wählerliste ist der Mitarbeiter zu führen. Es ließe sich die Meinung vertreten, der Arbeitnehmer sei in dem Betrieb eingegliedert in welchem er seine Weisung erhält. Der Alltag des Arbeitslebens wird aber nicht durch disziplinarische Vorgänge, sondern gerade durch fachliche Aufgabenerledigungen geprägt. Schnell wird damit die deutlich, dass die Frage nicht ganz so schnell und einfach beantwortet werden kann.

Das BAG meint dazu (BAG 7 ABR 48/11, Datum: 05. 12. 2012):

Nach neuerer Rechtsprechung des BAG ist für die betriebliche Zugehörigkeit des Arbeitnehmers beim drittbezogenen Personaleinsatz nicht mehr zusätzlich zu dessen Eingliederung in den Betrieb auch das Bestehen eines Arbeitsvertrags mit dem Betriebsinhaber erforderlich.

Dies führt unter Umständen zu einer doppelten Berechtigung hinsichtlich der Teilnahme an den Betriebsratswahlen der von der funktionalen Steuerung betroffenen Arbeitnehmer. Unabhängig vom Arbeitsvertrag könnte die Konstellation auftreten, dass der Arbeitnehmer sowohl beim Vertragsarbeitgeber als auch bei der steuernden Einheit nach §§ 7 und 8 BetrVG auf den Wählerlisten geführt werden muss, wenn eine doppelte Betriebszugehörigkeit besteht.

Hierzu heißt es, dass bei einem nicht nur kurzfristigem Einsatz eines Arbeitnehmers in einem fremden Betrieb die Zugehörigkeit zu diesem Betrieb dann anzunehmen sei, wenn die steuernde Einheit, bei der der Arbeitnehmer eingesetzt ist, ein fachliches Weisungsrecht in Hinblick auf den bei ihr eingesetzten Arbeitnehmer ausübt. Für die Betriebszugehörigkeit zur steuernden Einheit ist es nicht einmal erforderlich, dass der Arbeitnehmer räumlich seinen Arbeitsplatz bei dem Vertragsunternehmen verlässt.

Die Möglichkeit dieser wundersamen Vermehrung der Betriebszugehörigkeit wird auch in einem der führenden Kommentare gesehen:

„Auch der ohne direkten Arbeitsvertrag in die Arbeitsorganisation des Beschäftigungsbetriebes eingebundene und dessen Betriebszweck dienende AN ist in seiner Arbeitssituation dem AN nach § 5 Abs. 1, der einen Arbeitsvertrag zum Beschäftigungs-AG hat, gleichgestellt (BetrVG – Kommentar für die Praxis (hrsg. von Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, Homburg, § 7 BetrV, Rz. 7)“.

Aber welcher Wahlvorstand soll diese „differenzierte Beurteilung“ anfechtungssicher durchführen?

Arbeitsrechtlich bewältigt ist aber die Veränderung neuer Organisationsformen nicht, obwohl Matrixstrukturen schon seit Jahrzehnten in der Diskussion sind. Man darf gespannt sein, wie lange es braucht, die Herausforderungen auch durch das Thema „Industrie 4.0“ arbeitsrechtlich zu erfassen. Ein Anfang wurde 2016 auf dem Deutschen Juristentag in Essen gemacht (Verhandlungen des 71 Deutschen Juristentages Essen 2016, München 2016, Gutachten B Prof. Dr. R. Krause).

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